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Die Pfadi als Spielplatz des Lebens

30’000 Pfadis trafen sich diesen Sommer im Goms zum Bundeslager. Die 20-jährige Zürcherin Gioia Natsch, Pfadiname «Sasou», war als Leiterin dabei und erzählt von ihren Eindrücken und von den Herausforderungen, die ein solcher Mega-Event an die jungen Leiterinnen und Leiter stellt.

von Gioia Natsch / Sasou, Abteilungsleiterin Pfadi Ratatouille, 20 Jahre

Sasou, Pfadi Ratatouille
Gioia Natsch, Pfadiname «Sasou»

Jemand beschrieb mir die Pfadi einmal als Spielplatz des Lebens. Wir können im Kleinen Grosses ausprobieren und erste Erfahrungen in verschiedensten Bereichen sammeln. Das beginnt schon, wenn man sich als junge Pfadi im ersten Lager beim Packen des Tagesrucksackes für die Wanderung in der Selbstständigkeit übt. Man muss selbst an die Trinkflasche, den Sonnenhut und die Wanderschuhe denken. Und vergisst man die Flasche dann doch mal, dann darf man sicher einen Schluck aus der Flasche eines Gspänlis trinken und lernt, was Zusammenhalt und Kameradschaft ist.

Als Leiterin bleibt die Pfadi genauso eine Plattform, um sich als junge Person zu entwickeln und Sachen auszuprobieren. Sei es in Lagern kreative Ideen und Programmteile zu testen und Verantwortung für eine Gruppe von Kindern zu tragen. Oder – mit etwas mehr Erfahrung – das Leitungsteam zu leiten, die Bedürfnisse der Teilnehmenden einzuschätzen und angeeignetes Wissen weiterzugeben.

Pfadi Ratatouille aus Männedorf, Uetikon
Die Pfadi Ratatouille aus Männedorf, Uetikon und Oetwil am See

Actionpark statt Spielplatz

Dieses Jahr fand das Bundeslager (BuLa) der Pfadibewegung Schweiz im Goms statt. Diesmal war das Pfadilager kein kleiner Spielplatz auf dem Schulhof mehr, diesmal war es ein Actionpark. Wir teilten uns den Lagerplatz für einmal nicht mit 3000 Mücken und Holzböcken, wie in anderen Jahren, sondern mit 30'000 Pfadis. Kleine Aufgaben, wie zum Programmplatz zu gelangen oder das Essen einzukaufen, wurden regelrechte Abenteuer. Während sonst die Spielwiese direkt neben den Zelten liegt oder der Wald für den Orientierungslauf vielleicht 15 Minuten entfernt ist, konnten wir im BuLa gute 2 Stunden an Lagerplätzen und Spielwiesen vorbeilaufen, bis wir zu der uns zugeteilten Spielwiese gelangten. Das Essen musste ich als Einheitsleiterin im März bestellen, der Menuplan und die dafür nötigen Zutaten waren vorgegeben. Ich musste sie nur noch für jeden Tag dem Programm und meiner Gruppe anpassen. Wenn zur Essenszeit alle Lagerküchen ihre Kreationen umrührten, roch es überall in etwa gleich und doch ein bisschen anders.

BuLa 2022 Zeltstadt Goms
Riesige Zeltstadt unter blauem Himmel: Das BuLa 2022 im Goms

In etwa gleich und doch ein bisschen anders waren auch die Traditionen und Spiele der anderen Abteilungen. Begeistert lernten unsere Kinder Spiele und Essenssprüchlein von anderen Lagern und wollten sie sofort mit unserer Gruppe ausprobieren. Wir Leitenden erfahren solchen Austausch bereits in regionalen Ausbildungskursen und nicht alles ist für uns neu. Doch gerade die Kinder kamen am Anfang aus dem Staunen nicht mehr raus – nur schon auf dem Weg zum WC und zurück.

Aber auch die Augen von uns Leitenden wurden gross, als wir zum ersten Mal auf den «BuLavard», den Hauptplatz des Lagergeländes, kamen. Es gab eine Unmenge von Aktivitäten, die man machen konnte – sei es selbständig oder als Gruppe. Von Schmieden über Skateboardfahren oder Klettern im kleinen Kletterpark bis hin zu Nachhaltigkeitsworkshops, Spielezelten, Escaperooms und Cafés hatte es alles, was ein Kinderherz begehrt und noch mehr.

Die Grösse bringt neue Herausforderungen

Dieses grosse Angebot brachte aber neue Herausforderungen für uns als Leitungsteam. Es galt während dem Lager kontinuierlich abzuschätzen: Was wollen die Kinder gerade? Mögen sie sich noch im Kinderparadies austoben oder brauchen sie eine ruhige Runde Bastelatelier auf dem eigenen Lagerplatz? Kennen sie das Lagergelände bereits gut genug, dass sie in Kleingruppen losziehen können oder müssen sie noch begleitet werden von uns Leiterinnen und Leitern? Wollen sie in eigenen Gruppen auf Erkundungstour gehen oder wäre es für die Jüngeren wieder einmal an der Zeit für geleitete Aktivitäten alle zusammen? Brauchen sie das Abendprogramm wirklich noch oder reichen die Eindrücke des Tages und es genügt, gemeinsam im Schlafsack unter dem Sternenhimmel ein Hörspiel zu hören? Wir Leiterinnen und Leiter lernten spontan zu entscheiden, da wir viele Programmpunkte umgeplant oder gestrichen haben, um den Gegebenheiten gerecht zu werden.

Übernachten unter freiem Himmel gehört bei der Pfadi dazu.
Verdiente Ruhe nach einem erlebnisreichen Tag: Im Schlafsack unter dem Sternenhimmel

Etwas vom Eindrücklichsten war für mich zu spüren, wie viel machbar ist, wenn alle Pfadis zusammen anpacken. Diese Kraft vereint zu sehen, die sich sonst aufgeteilt in kleinen Lagern entfaltet. Das Organisationskomitee umfasste rund 500 Personen, dazu kamen 5000 Helfende. Beinahe ausschliesslich auf Freiwilligenarbeit basierte diese Zeltstadt, die das Goms temporär zur zweitgrössten Stadt des Wallis anwachsen liess.

Ohne Flexibilität und spontanes Reagieren geht es nicht

Mit seiner Grösse war das «BuLa» ein Spielplatz in einer neuen Dimension. Sei es, weil bereits Gelerntes wie das Kochen und Einkaufen einen anderen Umfang annahm oder weil ganz neue Herausforderungen dazu kamen, wie beispielsweise die Mehrsprachigkeit oder das Einordnen in ein grosses Überlager, was viel Flexibilität und spontanes Reagieren unsererseits erforderte.

In zwei Wochen lernt man die Kinder auch viel besser kennen und kann mit der Zeit individueller auf sie eingehen. Und dadurch, dass alle versammelt auf einem Fleck waren, zeigte sich nicht nur die Kraft dieser Pfadibewegung, sondern man entdeckte überall bekannte Gesichter von früheren Pfadiabenteuern, mit denen man sich wieder treffen und austauschen konnte. Ich habe auf jeden Fall einen grossen Rucksack Dreckwäsche und Erfahrungen von diesem Spielplatzbesuch nach Hause nehmen dürfen.

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22. August 2022 07:16 - Arun Calore
super Bericht, vielen Dank
23. August 2022 19:26 - Klecksi
Liebe Sasou, Pfadi ist nicht der Spielplatz des Lebens. So ist das Leben. In der Pfadi ist einfach alles viel schneller, mit grösserer Leichtigkeit verbunden, es geht immer um die Sache - weil die Ziele selbst gesteckt sind, und oftmals mit mehr Verbindlichkeit. Vor allem mit viel Verantwortung für deine Pfadis/Wölfe, resp. Vertrauen der Eltern, die dir ihre Kinder für 7 x 24h 'übergeben' haben. Behalte deine Erfahrungen im Herzen, du wirst immer wieder ähnliche Situationen antreffen und weisst für dich, dass du sie schon mal gemeistert hast.
13. September 2022 21:27 - Diala
Liebi Sasou, was fürne schöni Zämefassig vo mine Befindlechkeite i und nach dem Lager. I hoffe du heschs guet. Uf baud <3

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