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Alles rundherum vergessen

Was treibt Jugendliche an, intensiv Sport zu treiben? Was gibt ihnen das tägliche Training? Welche Inputs nehmen sie aus dem Sport in den Alltag mit? Und haben sie überhaupt noch Zeit für Kollegen und Freundinnen neben dem Training? Dies wollten wir von zwei Jugendlichen direkt erfahren.

Es ist gar nicht leicht, einen Termin mit Levia Schaden und Timo Volkart zu vereinbaren. Die beiden Jugendlichen sind mit Ausbildung, täglichem Training sowie Wettkämpfen am Wochenende viel beschäftigt. Wie schaffen sie es bloss, all dies unter einen Hut zu bringen? Levia, im ersten KV-Lehrjahr Immobilien, meint lachend: «Wenn ich keinen Sport machte, würde ich trotzdem nicht mehr lernen. Wenn ich vom Training nach Hause komme, bin ich motiviert. Ich weiss dann: Jetzt habe ich noch so und so viel Zeit, und dann bin ich produktiv.» Häufig geht die Fünfzehnjährige auch direkt vom Geschäft ins Training und überbrückt die Wartezeit zwischen Arbeit und Hobby mit Aufgaben. Oder sie lernt im Zug. «Es ist alles eine Frage der Organisation.»

Levia am Start
Levia Schaden (Nummer 3) startet nach intensivem Training an einem Wettkampf.

Timo, ebenfalls 15 Jahre alt, bereitet sich auf seine Lehre als Zeichner mit Fokus Architektur sowie die Aufnahmeprüfung für die BMS vor. Seit dem Sommer hat er deshalb nicht einmal mehr am Mittwochnachmittag frei. Er trainiert jeden Abend, abwechslungsweise Eishockey und Geräteturnen, am Wochenende finden Matches und Wettkämpfe statt. «Manchmal wünsche ich mir einfach mal wieder einen freien Abend», meint er am Samstagvormittag, bevor er an den nächsten Match fährt. Aber der fleissige Teenager schiebt sofort nach: «Nach der BMS-Prüfung im Frühling wird es sicher wieder stressfreier. Und dann haben wir zusätzlich auch im Hockey einen Monat lang kein Training.»

Timo beim Eishockey
Timo Volkart ist dem Hockeyverein schon im Kindergarten beigetreten.

Die Sportbegeisterung wird oft in der Familie vererbt

Er habe von klein auf Sport gemacht, sagt er. Dem Hockeyverein ist er ungefähr im Kindergarten, dem Turnverein fürs Geräteturnen in der 1. Klasse beigetreten. Alle seine Kollegen hätten Hockey gespielt, sein Vater auch, im Geräteturnen sei die ganze Familie. «Ich habe mich natürlich selber entschieden, aber es ist schon klar, dass man durch Freunde und Familie davon angezogen wird.»

Auch Levia kommt aus einer Familie, in der Sport einen hohen Stellenwert hat. Ursprünglich hatte sie im zweiten Kindergarten mit Ballett begonnen. Kurz darauf kam das Geräteturnen. Weder sie noch ihre Eltern wussten damals, welche Sportart für sie geeignet wäre. Deshalb suchten sie einfach mal etwas in der Nähe. Geräteturnen war bei ihnen im Dorf Freienstein verfügbar, sie ging schnuppern, es gefiel ihr, sie blieb. Nach neun Jahren gab Levia das Geräteturnen nach einer Verletzung auf. Jetzt fokussiert sie auf Leichtathletik. Ihr Talent hat sie beim gemeinsamen Laufen mit ihrem Vater entdeckt. Heute macht sie Leichtathletik im TV Kloten und hat sich spezialisiert auf Hürden (100 Meter) und Mittelstrecke (400 bis 1500 Meter).

Wettbewerbe sind für Levia wichtig, weil ihr sonst das Ziel fehlen würde beim Training. «Und ich will schon auch vorne mit dabei sein. Das ist für mich etwas Wichtiges.» Niederlagen spornen sie an. «Dann trainiere ich einfach noch mehr und zeige, dass ich es eigentlich kann.» Das sei für sie auch eine wichtige Lektion, die sich vom Sport aufs Leben übertragen lässt. Man lerne durchzuhalten und nicht bei jedem kleinsten Problem aufzugeben. Das habe ihr auch in der Schule geholfen.

«Im Sport lernt man durchzuhalten und nicht bei jedem kleinsten Problem aufzugeben. Das hat mir auch in der Schule geholfen.»

Sport und Freizeit unter einen Hut bringen

So intensiv wie Levia trainiert sonst niemand in ihrem Bekanntenkreis. Ob sie für ihre Freundinnen und Freunde überhaupt Zeit habe? Unter der Woche nicht, aber dazu ist doch das Wochenende da. «Und im Training verbringt man ja auch Zeit zusammen, oder man fährt zusammen hin und zurück, da hat man auch noch Zeit miteinander.» Am Freitagabend ist der Jugendtreff in Freienstein geöffnet. Da ist Levia häufig nicht hingegangen wegen dem Training. Mittlerweile hat sie sich aber den Freitag so organisiert, dass sie am Abend bis um 20 Uhr das Training besucht, dann nach Hause fährt und im Anschluss noch in den Jugendtreff geht. Sie hat es ja einleitend gesagt, es ist alles eine Frage der Organisation.

Timos Kollegen gehen mit ihm zur Schule oder sie spielen mit ihm Hockey oder sogar beides. «Die sehe ich genug». Und am Wochenende hat er je nach Saison einen Match, dann lernt er maximal zwei Stunden für die Schule «und sonst habe ich ja frei, um mit den Freunden etwas zu unternehmen.» Für Timo ist der Sport, obwohl er so viel Zeit in Anspruch nimmt, ganz klar ein Hobby. Er ist realistisch genug, dass es für eine Profikarriere noch viel mehr bräuchte. Und er möchte sich auf seine berufliche Laufbahn konzentrieren. Wie viel Zeit er nach Lehr- und BMS-Beginn überhaupt noch haben wird für den Sport, weiss er zum heutigen Zeitpunkt nicht. Klar ist aber: «Aufhören werde ich sicher nicht. Man kann irgendwie gar nicht aufhören, wenn man schon so lange dabei ist.»

Timo beim Geräteturnen
Timo trainiert jeden Abend, abwechslungsweise Hockey und Geräteturnen.

Auch Levia hat sich schon ein paar Mal überlegt, wie es wäre ohne Sport. Aber auch für sie geht es ohne Training nicht. «Wenn ich ein paar Tage nichts gemacht habe, dann kann ich meine Energie nicht mehr rauslassen, meine Stimmung ist komisch. Der Sport fehlt mir.» Man fragt sich, was genau am Sport den beiden denn fehlt? Beide strahlen, als sie daran denken. Levia: «Wenn man merkt, wie man besser wird. Die Erfolgserlebnisse. Das Aufpowern. Aber ich mag auch das Gefühl nach dem Training. Es ist ein schönes Erschöpftsein, weil man wirklich etwas gemacht hat.» Und Timo doppelt nach: «Man vergisst das Schlechte rundherum. Man hat Spass im Training. Erst nachher fällt einem wieder ein, was morgen ist.»

«Ich mag das Gefühl nach dem Training. Es ist ein schönes Erschöpftsein, weil man wirklich etwas gemacht hat.»

Levia hat sich weder beruflich noch im Sport langfristige Ziele gesetzt. Sie fokussiert lieber auf das unmittelbar vor ihr Liegende. «Wenn ich mir schon grosse Ziele für die Zukunft gesetzt hätte, wäre ich ja nur enttäuscht, wenn ich es nicht schaffen würde.» Sportlich würde sie schon gerne einmal bei den Schweizer Meisterschaften ganz vorne dabei sein oder auch international starten. Beruflich möchte sie später gerne studieren. Was genau, ist aber noch offen. Sicher nichts mit Sport, das reicht ihr als Hobby.

Timo bei einer Vorstellung des Turnvereins
Sport reicht ihr als Hobby. Darauf verzichten könnte sie aber nicht, meint Levia.

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